Es war einmal eine Familie in Bocchigliero, wie man sie sich ärmer
und elender nicht vorstellen kann.
Ohne Kinder wohnten Mann und Frau in einer Hütte aus Stroh,
in der es nichts gab: keine Stühle zum Sitzen und kein Tisch,
der zu decken gewesen wäre. Sie schliefen auf einem Lager aus
Stroh und trösteten sich mit dem Rauschen des Wassers vom
Flüsschen
Santa Croce,
das unter der Brückevon Basilicò verlief.
Wenig später ereignete sich ein Felssturz, der das Flüsschen
in einen Wasserfall mit einem
immensen Strudelverwandelte.
Gewöhnlich arbeitete der Mann in der Gewinnung von Pech, während
die Frau sich der Feldarbeit widmete, auch wenn die Erde,
die geizige, praktisch nichts hergab.
Eines Abends, von Verzweiflung ergriffen, begab sich die Frau zum
Wasserfall, weinte und begann, zum Schicksal zu rufen.
„O Fortuna, o Fortuna,“ rief sie mit lauter Stimme, „warum bist
du so grausam zu uns? Warum bist du so geizig?
Warum hilfst du uns nicht?“
Und plötzlich, wie durch Zauber, antwortet eine geheimnisvolle
Stimme:
„Was willst du, sag es mir, was willst du, und ich werde dich zufrieden
stellen.“
„Ich bitte um ein Stück Brot für mich und meinen Mann,“
antwortete zitternd die Frau,
„nur ein Stück Brot für mich und meinen Mann.“
Und die Stimme fügt hinzu: „Es sei dir gewährt.“
Als sie ins Hauszurückkehrte
und die Tür öffnete,
fand sie ein wundersames Brot, das sie beide auf der Stelle aßen
und dabei dem Schicksal für seine schöne Überraschung dankten.
Die Sache wiederholte sich jeden Tag, denn jeden Tag zur selben
Stunde auf einem liebenswürdig gedeckten Tisch
fand sie das warme Brot, das nur darauf wartete, gegessen zu werden.
Die Zeit verging, und die Frau begab sich von neuem an den Wasserfall,
um wieder das Schicksal anzurufen.
„O Fortuna, o Fortuna,“ rief sie dieses Mal, „wenn ich dieses Mal
heimgehe,
mach, dass sich unser Häuschen in ein schönes Haus verwandelt
mit vielen neuen Kleidern und wunderschönen Möbeln.“
Und das Schicksal antwortet mit der gewohnten geheimnisvollen Stimme:
„Es sei dir zugestanden.“
Als sie sich auf den Rückweg macht, da erblickt sie schon von
weitem auf der kleinen Lichtung an Stelle der alten Strohhütte
ein wunderschönes Haus mit zahlreichen Balkonen, ganz und gar
geschmückt mit Nelken und Rosen.
Und in diesem wundersamen Haus
lebten sie viele Jahre glücklich, bis eines Abends die Frau
sich von neuem zum Wasserfall begab,
um nochmals das Schicksal anzurufen.
„O Fortuna, o Fortuna,“ bittet sie ein weiteres Mal, „mach, dass,
wenn ich heute Abend nach Hause zurückkehre,
ein wunderschönes Schloss finde mit einer Dienerschaft, bereit
uns zu empfangen und zu bedienen.“
Und die Stimme antwortete: „Es sei dir zugestanden.“
Als sie zurückkehrte an den Ort ihrer schönen Wohnung,
da fand sie ein märchenhaftes Schloss vor mit vielen Dienern,
die sie bei ihrer Ankunft beglückwünschten.
Es verging wiederum eine Zeit; und sie kehrte wieder zurück
zum
Wasserfall, um
von neuem das Schicksal um Hilfe zu bitten.
„O Fortuna, o Fortuna, mach, dass ich eine Königin sei und
mein Mann ein König.“ bittet sie dieses Mal und wie durch Zauber
antwortet auch dieses Mal die Stimme: „Es sei dir zugestanden.“
Sie wurden König und Königin, und die beiden Ärmsten
regierten über ihr Reich viele Jahre lang, auch wenn
das Laster des Egoismus immer öfter in das Herz der Frau einzog.
Und wirklich, eines Abends überzeugt sie den Gatten, sich mit
ihr zum Wasserfall zu begeben, um eine neue Bitte vorzubringen.
„O Fortuna, o Fortuna,“ rief sie, „mach, dass ich die Madonna bin
und mein Mann der ewige Vater.“
Aber das Schicksal antworte entrüstet: „Du wirst ein Vögelchen,
genauer eine cuccuvella (Eule) sein,
und dein Mann ein zagarogna (Uhu)!“, und genau in diesem Augenblick
verschwand das Schloss und all das Wunderbare,
mit dem sie umgeben waren.
Die Frau, die eine Eule geworden war, weinte Tag und Nacht in ihrer
Verzweiflung, und ihr Mann, von nun an ein Uhu, verzweifelte,
weil er seine Frau nicht daran gehindert hatte, vom Schicksal zu
viel zu verlangen.
So endet, wer in seinem unsinnigen Egoismus immer mehr vom Leben
beansprucht.
Und deswegen erinnern sich die Leute von Bocchigliero an die beiden;
nicht, weil sie König und Königin waren,
sondern weil der Wasserfall, der ununterbrochen seit Jahrhunderten
strömt, nach ihnen benannt ist, nämlich nach denen,
die Pech herstellen: U piciaru.
Die Legende erzählt, dass auch heute die Neugierigen, die sich
zum Wasserfall begeben,
nicht weniger als damals den Gesang des Uhus und der Eule hören
können, und man kann ahnen,
worüber sie sich unterhalten, wenn die Eule sagt:
" UUUUUU CCAIU PATUTU, CCAIU PATUTU "
und der Uhu-Gatte antwortet
" CCI CURPU IU CCI CURPU IU ".
So vernimmt man auf diese Weise die Klage derer,
die an diesem Ort lebten und uns allen das Zeugnis ihres vorübergehenden
Aufenthalts hinterlassen haben.
Traduzione Tedesca copiata da:http://www.silagreca.de/wanderungen/Bocchigpiciaru.htm